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Jan Weiler, „Kühn hat zu tun”

April 27th, 2015 ·

Der mittelalte Kommissar Martin Kühn führt eine mittelgute Ehe und ist seinen beiden Kindern ein mittelguter Vater. Richtig gut ist er allerdings in seinem Job. Spitzbuben, Mörder und andere zwielichtigen Gestalten machen ihm so leicht nichts vor. Kühns leben im Einfamilienhaus einer Neubausiedlung am Rande Münchens, die auf dem Gelände einer ehemaligen Waffenfabrik eines Alt-Nazis erbaut wurde. Als hinter ihrer Gartenhecke eine Leiche liegt und ein kleines Mädchen aus der Siedlung verschwindet, beginnt der Kommissar zu rotieren. Zu rotieren beginnt allerdings auch sein Kopfkarussel, das ihn schwer zu schaffen macht. Morddetails vermischen sich mit Alltagsproblemen mischen sich mit Gedanken zu seinen Mitmenschen.

Gekennzeichnet sind die Gedankenströme durch die kursiv gesetzten Textblöcke, an die Weiler die Leser teilhaben lässt. Leider. Als stilistisches Mittel dezidiert eingesetzt, wäre es eine gute Idee gewesen. So inflationär wie im Buch benutzt, zerrt es an den Nerven. Genauso wie der „Schnippikäse“, den Kühn zu Beginn des Buches einkaufen soll und sich wie ein zäher Schmelzkäsefaden durch die Lektüre zieht. Kann man lustig finden, ist aber nicht nötig.

Jan Weiler, bekannt geworden durch seine Kolumnen und das Buch „Maria ihm schmeckt’s nicht“, versucht es hier mit einem Krimiroman, was ihm, passend zu seinem Kommissar, mittelgut gelingt. Zwischen Klischees – die Hölle befindet sich unter deutschen Vorstadtdächern – und durchaus netten Einfällen – Topanwalt, der sich in seiner eigenen Arroganz verheddert – packt er eine leidlich interessante Krimihandlung. Wer, wie sonst bei Jan Weiler, einen lustigen Grundton erwartet, wird enttäuscht. Bedrückend reiht sich die kleinkarierte Vorstadtmischpoke an Kühns psychische Fragilität an die Espritlosigkeit seiner Ehe. Der Anfang des Buches ist zwar geglückt, weckt aber Erwartungen, die Weiler nicht eingelöst: Hier erzählt der die Geschichte des Alt-Nazis, der im Verlaufen dann allerdings keine Rolle mehr spielt. Eine misslungene Gesellschaftskritik hinsichtlich reingewaschener Nazis? Der Autor allein weiß die Antwort.

Dazu kommt, dass Weiler sämtliche Problematiken einer Neubausiedlung, inklusive ellenlanger Diskussionen um Nichtigkeiten und in die Form einer biederen Bürgerwehr verpackte Rechtsradikale in das Buch strickt. Denen fällt später Kühns Sohn zum Opfer, in dem er sich den (geistigen) Brandstiftern anschließt. Ganz richtig, alle Themen finden sich in einem (!) Buch wieder. Puh. Am Ende scheint beruflich und privat alles über Kühn zusammenzubrechen, um sich dann abrupt aufzulösen. Fast, jedenfalls. Man möchte Weiler zurufen: „Mensch, Jan, das kannst du besser.“ Nämlich mit mehr Gefühl für Timing und inhaltliche Qualität. Spannung, raffinierte Geschichte, nachvollziehbare Handlung sucht man vergebens. Entschädigt wird der Leser durch den eingängigen Schreibstil. Für einen kurzweiligen Lesenachmittag geht das Buch wie ein Edgar-Wallace-Film allerdings in Ordnung.

3 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Krimis