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Alexander Osang „Comeback”

April 28th, 2015 ·

Die Rockband „Die Steine“ war in den 1980er Jahren eine große Nummer in der DDR. Mit Nora der Sängerin, Alex dem Gitarristen, Paul am Bass und Acki hinterm Schlagzeug. Ihre Politsongs, die immer am Rande des staatlich Tolerierten balancierten, öffneten den Steinen – zeitlich begrenzt – die Mauer für Konzerte gen Westen, ohne, dass sie die Glaubwürdigkeit vor ihren DDR-Fans verloren. Jahre später: „Drüben“ gibt es nicht mehr. Der Ruf nach Freiheit mithin die Lieder der Steine sind verklungen in einer Gesellschaft, die vermeintlich frei lebt, die vor allem nach den Regeln des Kapitalismus ihre Lebensart ausrichtet.

Nora die Charismatische, Nora die Rock-Königin versucht es in New York, nur um zu erfahren, dass eine Königin ohne Staat keinen Dollar wert ist. Sie soll einem Journalisten der New York Times in einem Interview bestätigen, was er sich an Bildern von der Maueröffnung selbst zusammenphantasiert hat. Nora dient als Staffage der eigenen Biografie. Nicht besser ergeht es den anderen Bandmitgliedern. Paul liebt nur seine Tochter und lebt in einer Wartestellung von Kleinkonzert zu Kleinstkonzert. Alex erkennt viel zu spät seine Liebe zu Nora. Acki leidet unter seiner Alkoholsucht. Um die Band herum gruppieren sich Familienmitglieder, Wegbegleiter, Freunde. Osang lässt sie nach und nach zu Wort kommen und setzt so nicht nur das Mosaik der fiktiven Rockgruppe Die Steine zusammen, sondern zeichnet auch ein Generationenporträt der Wendejahre.

Trotz der relativen Kürze des Buches finden private wie gesellschaftliche Dramen ihren Platz. Kein Wort zu viel, keines zu wenig. Osang beherrscht die große Kunst, literarisch punktgenau zu landen. Der Tenor seines Romans ist ungewöhnlich melancholisch, ja beinahe traurig. Wer sich darauf einlässt, wird das Buch dennoch mit Genuss lesen. Ob es ein Comeback für die Band, für die Menschen gibt? Wer weiß das schon. Am Ende der Lektüre kann man sich als Westler fragen, ob man irgendwas begriffen hat von dem, was „die im Osten“ mit der Wende erlebt haben, welcher Einschnitt durch die vielen Leben ging und ob man nicht besser hätte voneinander lernen sollen, anstatt sich wie der heilige Messias zu fühlen, weil man die viel beschworene Freiheit „nach drüben“ gebracht hat.

5 von 5 Punkten

Tags: Belletristik