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David Monteagudo „Wolfsland“

April 28th, 2015 ·


Der kleine Orlando, Sohn des Kunstmalers und Waldhüters Enrique und der Grundschullehrerin des Ortes, wächst zu Zeiten Francos im galizischen Bergdorf Branaganda auf. Eingebettet in die Liebe, Kraft und Intellektualität seiner Eltern ließe es sich für ihn und seinen jüngeren Bruder Norberto kaum idyllischer leben. Doch dann versetzen grauenhafte Frauenmorde die Einwohner in Angst und Schrecken. Ein Werwolf soll umgehen, soll grausam getötet und die Leichen verstümmelt haben. Orlandos Eltern glauben keine Sekunde an diese Mär. Immer wieder versuchen sie mit Vernunft die Gemüter zu beruhigen.

Die Dörfler finden ihre eigenen Antworten und Strategien: Etwas Gewaltiges geht um. Etwas Mystisches. Dagegen haben Logik und Verstand keine Chance. Der Rückzug in ihre Häuser zu Vollmond hilft jedoch nicht. Die vom Dorfreichsten organisierte Bürgerwehr bleibt erfolglos. Weder die wild wuchernden Spekulationen der Dörfler, noch die denen entgegen gesetzten nüchtern-rationalen Erklärungsversuche der Eltern können die Morde begründen. Oder auch nur stoppen. Im Gegenteil. Es wird nur noch schlimmer.

Der spanische Autor Monteagudo erzählt ein rauschhaft anmutendes Märchen aus einer nicht allzu fernen Vergangenheit. Auf 270 Seiten entfaltet sich eine archaische Geschichte, in der sich Wahn und Wirklichkeit, Lust, Kontrolle und Phantastik wie wilde Krieger gegenüberstehen. Subtil flicht Monteagudo ein Netz aus latenter Gewalt und schwellendem Begehren in Bezug auf den vermeintlichen Werwolf und in die Beziehungen der Dorfbauern. Sätze bleiben ungesagt, Handlungen im Verborgenen. Ein Meisterwerk der erzählenden Kunst präsentiert der Autor und stellt in diesem schauerlichen, rätselhaften Gleichnis die Frage, ob Rationalität die Antwort auf alles sein kann.

Einen dicken Minuspunkt bekommt der Verlag Rowohlt. Im Klappentext wird schon viel zu viel von dieser großartigen Geschichte verraten. Wer in das Buch eintauchen und sich überraschen lassen möchte, sollte sich im Sinne der Leselust den Klappentext erst nach dem Buch ansehen.

4 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Mysterie