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Thomas Brussig „Das gibt’s in keinem Russenfilm

Juli 25th, 2015 ·

Der reale Autor Thomas Brussig spielt in seinem Roman das Modell „Was wäre, wenn die DDR weiterhin existieren würde“ anhand der Biografie seines Protagonisten Thomas Brussig durch – ein Schelm, wer Interessantes dabei denkt. Der eine wie der andere ein erfolgreicher Autor – hier im vereinten Deutschland, dort in der bestehenden DDR. Der fiktive Brussig, von Natur aus eigentlich ein Hasenfuß, rutscht eines Tages versehentlich in die Rolle des Vorkämpfers für einen gerechteren Sozialismus. Im Überschwang verkündet er in einer öffentlichen Veranstaltung, dass er weder in den Westen reisen, ein Telefon besitzen oder Kunderas Buch „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ lesen würde, solange nicht auch der Normalbürger in der DDR diese Privilegien genießen dürfe. Der Schwur gilt fortan, was es dem ängstlichen Autor nicht leichter macht, in seinem Land zu leben.

Der Roman beginnt mit dem wunderbaren Satz „Wer nicht ertragen will, daß das Leben vom Zufall gestaltet wird, kann sich gleich die Kugel geben“. Ein herrliches Bonmot. An Bonmots und spitzbübischen Formulierungen ist das Buch nicht eben arm. Und genau das nervt am Ende durch die Kombination mit der unerträglichen Selbstbezüglichkeit des Autos. Der fiktive Brussig begegnet vielen realen Personen aus Politik und Gesellschaft, die mehr oder minder literarisch bearbeitet wurden. Was ist Fiktion? Was Realität? Ein schönes Spiel, besonders in der Literatur, wenn man das Spiel beherrscht.

Das tut der reale Brussig eindeutig nicht. Zu stark bricht seine Eitelkeit zwischen den Sätzen hervor. Zu albern und flauschig geraten ihm Erzählstränge über etwa die NVA. Der 9. November 1990 wird zum besonderen Tag für den fiktiven Brussig wegen seines dreifachen Schwurs (haha). Das Buch mutet nach spätestens 50 Seiten wie eine Sahnetorte an, auf die noch einmal Sahne obenauf kommt. Viel zu viel vom Süßen, kein würziges Gürkchen weit und breit. Wie außerordentlich bedauerlich. Die Ausgangsidee ist so betörend. Dazu hat sich der Verlag mit der Ausstattung des Buches – Lesebändchen und grafisch eingängig gestalteter Umschlag – ordentlich Mühe gegeben. Verschenkte Mühe, verschenkte Seiten.

2 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Humor