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J. Ryan Stradal, „Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens“

Februar 26th, 2017 ·

Der Start ins Leben ist für Eva Thorvald ein holpriger. Erst brennt die Mutter kurz nach ihrer Geburt mit einem Geliebten durch, dann verstirbt der Vater, kaum dass Eva drei Monate alt geworden ist. Im Glauben Tante und Onkel seien ihre rechtmäßigen Eltern sowie Base und Vetter die Geschwister wächst sie bei der Verwandtschaft auf. An Liebe und Zuwendung mangelt es nicht, auch wenn manches Verhalten Evas den vermeintlichen Eltern fremd bleibt. Aber die finanziellen Mittel sind mager. Aus diesen prekären Verhältnissen arbeitet sich Eva Thorvald heraus zu einem Superstar der trendigen Kochszene.

Der Roman will ein großer sein, bleibt dabei sehr klein. Redlich bemüht Stradal allerlei literarischen Tand. Es gibt eine Art Rahmenhandlung, vielleicht damit der Leser weiß, dass sich hier vorne der Romananfang und dort hinten das Romanende befindet. Über die Protagonistin wird zu Beginn und am Schluss direkt erzählt. Im übrigen Buch taucht sie Chimären gleich auf. Eva Thorvald wirkt durch die nur vage Verknüpfung an die Lebensgeschichten anderer Figuren weniger geheimnisvoll als nebulös. Diese verschiedenen Lebensgeschichten sind manchmal interessant, manchmal mau. Sie zu einer Anthologie zu bündeln und als schmales Bändchen herauszubringen hätte genügt.

Immer wieder stellt sich die Frage, warum Stradal um die Hauptperson herum erzählt. Letztlich bleibt der grandiose Aufstieg von Eva Thorvald bloße Behauptung, die der Leser sich nur puzzelartig zusammensetzen kann – oder einfach dem Klappentext entnimmt. Die Figur selbst lässt durch ihre Abwesenheit keine Empathie aufkommen. Selbst wenn Stradal ihr mal einen der mageren Auftritte gönnt, versteht man Evas Handlungsweise kaum, die vor allem auf dem Verschwinden aus anderer Leut’s Leben basiert.

Verwunderlich, denn Stradal erzählt über Eva als „Menschenmagnet“. Wo sie hinkommt, fasziniert sie. Herzen fliegen ihr im Sturme zu. Gründe dafür und Anhaltspunkte für ihren Drang zu Verschwinden liefert der Autor nicht. Am Ende verknüpft sich die eine oder andere Geschichte miteinander, anderes bleibt rätselhaft. Völlig unverständlich ist im letzten Kapitel das Auftauchen einer Figur, die noch etwas mit Eva Thorvald klären möchte. Unverständlich, weil dieses Auftauchen urplötzlich geschieht und den an Rhythmus ehedem schon armen Roman vollends ins Wanken bringt.

Humor wird bemüht, allerdings nur im vorderen Viertel. Danach verliert er sich gänzlich. Der Roman bekommt nachgeradezu einen depressiven Erzählton. Bis auf das letzte sind alle Kapitel mit Namen von Gerichten betitelt. Die Ingredienzien fügen sich nicht zu einer magisch-kulinarischen Erzählung, sondern zu einem kalt servierten Budenzauber. Kein vollkommen schlechtes Buch mit einem durchaus starken Auftakt. Mit den teeniehaften Literaturmätzchen bleibt für Stradal allerdings noch viel Platz nach oben zu einem guten Romancier.

2 von 5 Punkte

Tags: Belletristik