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Christian Kracht, „Imperium“

Februar 26th, 2017 ·

Um die Jahrhundertwende gründete August Engelhardt auf Papua-Neuguinea einen Sonnenorden und entwickelte den Kokovorismus – eine Lebensanschauung, die die Kokosnuss ins Zentrum allen Seins stellt. Entlang dieser historischen Figur erzählt Kracht mit realen Versatzstücken seine fiktive Geschichte rund um niedergehenden Kolonialismus und aufkeimenden Nationalsozialismus, bizarre Weltanschauungen und alternative Lebensweisen, Leidenschaft und Fanatismus.

Was für eine Sprache! Was für ein Witz! Was für ein Charme! Was für ein Roman! So vielgestaltig und opulent Krachts Sprache, zeigt sich auch die Doppelbödigkeit der Hauptgeschichte und all ihrer Nebenstränge. Fein nuanciert streut der Autor hie eine kleine Bösartigkeit und dort ein wenig Humor über seinen Roman. Allerdings macht sich Kracht nicht so sehr lustig über Engelhardt – ein bisschen schon, aber weniger als man es tun könnte. Ihr Fett bekommen viel mehr weg die Erlösungshungrigen, Abenteurer, Gierigen und nicht zuletzt die deutschen Kolonialisten.

Der vom Feuilleton zu Beginn seiner Karriere hochgejazzte Autor – er wurde in den 1990ern den „Popliteraten“ zugerechnet – musste bei dieser Buchpremiere 2012 eine Hetze erdulden, die ihresgleichen sucht. Ein ganz offensichtlich übereifriger, dabei völlig unterbeschäftigter Kulturredakteur des Spiegels und die inzestuöse wie hysterische deutsche Kritikergilde stürzten sich erst auf den Schweizer Kracht, im weiteren Verlauf dieser unseligen, fruchtlosen Debatte dann aufeinander.

Grund: Der angebliche Kulturredakteur meinte rechtsnationales Gedankengut in eben diesem Buch ausgemacht zu haben und weitete seine frechen bis üblen Bezichtigungen aus auf die Person Christian Kracht. Mehr peinliche als handfeste „Beweise“ führte er dabei ins Feld und offenbarte dabei doch nur eine von Neid geprägte, ganz persönlich gemeinte Diffamierung. So weit so schlimm, wenn nicht auch noch alle anderen Kulturredakteure von namhaften Zeitungen bis runter zu den Käseblättern auf diesen Zug aufgesprungen wären.

Und zu schlechter Schluss kamen die Akademiker, um ihr Scherflein zu diesem Diskussionsmüll beizutragen, der monatelang die medialen Kanäle verstopfte. Die ganze Debatte lässt sich im Abstand der Jahre nur als hochnotpeinlich werten. Sie zeigt wie stark das deutsche Feuilleton im Bereich der Literatur und mit diesem die selbsternannten Fachkreise in der Krise steckten und es bedauerlicher Weise weiterhin tun.

Lesende sollten sich davon nicht beirren lassen. Mit „Imperium“ hält man ein richtig starkes Stück Literatur in Händen. Wer Freude an Krachts Sprache hat und sein Vexierspiel aus Realität, Historie und Fiktionalität genießt, dem sei außerdem der neuste Streich des Autors empfohlen: „Die Toten“, ebenfalls erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.

5 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Biografien