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Sven Görtz „Da liegt ein Toter im Brunnen“

Mai 18th, 2013 ·

Bad Löwenau: Ein idyllischer, man könnte auch sagen verschnarchter, Kurort. Das aufregendste Ereignis stellt das Befüllen der Wasserflasche aus dem hiesigen Löwenbrunnen dar. Das sprudelnde Nass soll für die Gesundheit von Kurgästen wie Ortsansässigen sorgen. In eben diesem Brunnen befindet sich ganz schön tot der türkische Mitinhaber eines Supermarktes. Der Mord ruft nicht nur den frisch aus der Großstadt zurück in die Heimat gezogenen Kommissar Christoph Rubin auf den Plan, sondern auch die Bürgermeisterin, die um den guten Ruf ihrer Kleinstadt fürchtet, den italienischen Restaurantbesitzer Ricardo und vor allem den Journalisten Carl Bernstein. In dem fiktiven Provinznest beginnt eine nicht wirklich spannende Suche nach dem Meuchelmörder.

Besonders an die Figur Carl Bernstein scheint Autor Görtz sein Herz gehängt zu haben. Bernstein quatscht wie ein Kniggeführer aus dem 19. Jahrhundert und sieht offenbar auch so aus. Immer wieder enervierend detailverliebt kleidet Görtz seinen Protagonisten an. Vielleicht ein Tribut vom Autor an den Humor, dem man nach einer Weile gerne nicht mehr folgen will. Die weiteren Personen bleiben genauso holzschnittartig, selbst die zweite Hauptfigur Rubin. Seine Frau – „seine Frau“ genannt – bekommt noch nicht mal einen Namen. Im Gegensatz zu Rubins Hund Freitag. Ein Golden Retriver natürlich und ständig im Bild. Nach einer Weile fragt man sich, warum Bernstein und Freitag den Fall nicht im Alleingang gelöst haben. Bemerkenswert übrigens auch die stereotype Beschreibung des ortsansässigen Italieners, der natürlich einen ganz wunderbaren Dialekt spricht: „Und für Freitag schöne Schälche Aqua. Subito.“ Ja, so ist der der Italiener. Oder auch die türkischen Figuren. Görtz lässt durch eine türkischstämmige Polizistin behaupten, bei den Türken müssten sich Männer und Frauen auf „eine bestimmte Art verhalten“. Wie? Wie auch immer. Hier endet die Einsicht des Autors in des Muselmanen Verhaltenskodex’. Görtz spielt nicht mit Klischees, sondern bedient sie.

Beim Mordfall fehlt es dem Autor leider ebenfalls an originellen Ideen: Die Whodunit-Suche gestaltet sich als fade Matrize zur Abbildung der bemüht skurrilen Löwenauer Bewohner. Siehe oben. Das ist für einen Krimi zu wenig, das ist für ein Buch zu wenig. Positiv vermerkt sei, dass man die Lektüre mit 190 Seiten schnell weglesen kann. Die Geschichte wirkt wie der Auftakt einer Reihe. Vielleicht schreibt sich Görtz ja noch warm und recherchiert vorher gründlicher in den Milieus, über die er erzählt. Das Beste an dem Buch ist das liebevoll gestaltete Cover des kleinen Verlages Emos, der sich auf Provinz-Krimis spezialisiert hat. Wenn demnächst der Inhalt stimmt, hält man ohne Zweifel ein 5-Sterne-Buch in der Hand.

1 von 5 Punkten

Tags: Krimis · Kram & Krempel