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Robert Seethaler „Die weiteren Aussichten“

Mai 18th, 2013 ·

Herbert Szevkos Leben ist vorhersehbar wie ein Schweizer Uhrwerk. Am Rande einer nicht näher benannten Provinz lebt er mit seiner Mutter über der Tankstelle, die die beiden betreiben. Der dritte Mitbewohner ist der unansehnliche Zierfisch Georg, der zwischen Kieselsteinen und Plastikschifffracks seine Bahnen zieht. So weit, so ereignislos. Bis Hilde, die kleine, dralle Putzhilfe aus dem Schwimmbad eines sonnigen Morgens an der Tankstelle vorbeiradelt und das Herz des schlaksigen Eigenbrödlers im Sturm erobert. Herberts Plan ist schnell gefasst: Er will Hilde kennenlernen, er will Hilde. Und wenn Herbert erst einmal einen Plan gefasst hat, lässt er sich so schnell nicht mehr davon abbringen. Mit der Liebe zu Hilde beginnt das Abenteuer seines Lebens in dem der Streit mit dem ortsansässigen Rowdy, der Sprung vom Fünfmeterbrett als Nichtschwimmer und das spätpubertäre Auflehnen gegen seine energische Mutter nur die Spitze des Eisbergs sind.

Das hervorstechende Merkmal des Romans ist Seethalers lakonische Erzählweise. In die muss man sich zunächst einlesen, sie entfaltet dann schnell ihre Sogwirkung. Die Erzählweise passt ideal zu all den merkwürdigen und liebevoll beschriebenen Figuren, allen voran Herbert und Hilde. Immer wieder möchte man die beiden an die Hand nehmen und ihnen versichern, dass das Leben schön ist und sie keine Angst zu haben brauchen. Das aber ist wirklich nicht nötig. In Herbert steckt ein Kämpferherz, das er selbst erst nach und nach entdeckt. Und hinter der stillen Fassade von Hilde verbirgt sich eine lebenskluge Frau, die wie ein Fels im Sturm jedem Unbill entgegensteht.

Ein im besten Sinne frecher Roman ist das, wie er so nebenbei die kleinen und die großen Wahrheiten ausspricht. Herzerfrischend wirken Seethalers bitter-süße Kapriolen, die den Leser mal hier, mal dorthin werfen, aber nie alleine lassen. Genauso wie der Autor auch immer an der Seite seiner geprüften Protagonisten steht: Seethaler lässt sie ihre Dummheiten und Erfahrungen machen und gibt ihnen dann den Raum, sich zu etwas Neuem zu entwickeln. Großartig!

4 von 5 Punkte

Tags: Belletristik