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Marius Jung, „Singen können die alle”

April 26th, 2016 ·

Das Buch von Marius Jung ist ein Ratgeber – und zwar ein ziemlich ungewöhnlicher. Sein Untertitel verrät die gewünschte Zielgruppe: „Handbuch für Negerfreunde“. Huch, Moment. Das böse N-Wort. Ja, darf man denn das sagen? Entlang der eigenen Biografie und persönlichen Erfahrungen beantwortet der Autor diese Frage – mehr oder weniger – und schlüsselt den alltäglichen Wahnsinn namens Rassismus auf. Jung selbst ist gebürtiger Trierer, seine Mutter weiße Deutsche, sein biologischer Vater schwarzer Amerikaner und sein sozialer Vater weißer Deutscher. Eine ganz normale Biografie im Deutschland des 21. Jahrhunderts halt.

Auf der Suche nach der der richtigen Bezeichnung für Menschen wie ihn, ersinnt Jung großartige Wortschöpfungen wie „Afrogermane“ als Pedant zu „Afroamerikaner“ und ist neben den Sprachklischees auch Handlungsvorurteilen auf der Spur. Herrlich witzig und herrlich entlarvend schildert der Autor, wie er eine Freundin im Krankenhaus besucht und wie sich durch die beiden ebenfalls anwesenden Seniorinnen im Krankenzimmer die harmlose Situation ins Groteske entwickelt.

Außerdem tritt Jung den Beweis an, dass vermeintlich politische Korrektheit auch nicht immer eine Lösung ist. Nette Anekdote am Rande: Trotzdem Jung in seinem Buch deutlich auf den Satiregehalt seines Buches hinweist, trotzdem er selbst auf dem Buchdeckel abgebildet ist, bedachten ihn die ernsthaften Mitglieder (und Mitgliederinnen) des Leipziger Studentenrates mit einem Negativ-Preis. Wegen Rassismus’. Die besten Geschichten schreibt noch immer das Leben.

In seinem Schreibstil wechselt der Autor zwischen müden Schenkelklopfern zu spitzer Satire auf hintersinnigem Witz. Das deckt so ziemlich die ganze Palette des kabarettistischen Niveaus ab. In seinen Kalauermomenten völlig albern, dafür in seiner Hintersinnigkeit ganz wunderbar und zwar so, dass man sich als Leser, möglicher Weise, ertappt fühlen kann. In Zeiten wie diesen gilt: Albernheiten überlesen, Satire mitnehmen und auf äußerst angenehmen Wege dazulernen.

3 von 5 Punkten

Tags: Sachbücher · Biografien · Humor