Aus der ehemaligen Bohrinsel New Arcadia vor der kanadischen Küste ist eine Company Town entstanden, also eine Stadt, die einem Unternehmen gehört. Hier lebt und arbeitet die Halbkoreanerin Hwa als Bodyguard für Prostituierte. Als die Stadt an ein neues Unternehmen verkauft wird, lässt sich Hwa als Leibwächterin für den sehr jungen Spross des sehr alten Firmenpatriarchen engagieren. Sie bekommt den Job, weil sie erfolgreich als Personenschützerin arbeitet, aber auch weil sie rundum ein organischer Mensch ist.
Im Gegensatz zu ihren Mitmenschen hat sie ihren Körper technologisch nicht optimieren lassen – ein Vorteil, denn so kann sie nicht gehackt werden. Allerdings bedeutet das andererseits, dass sie mit dem „Makel“ auf einer Körperhälfte leben muss. Dieser wird im Buch andauernd erwähnt, allerdings nur indirekt beschrieben. Eine Narbe in Form eines Feuermal? Das bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Klar ist außerdem nicht, ob der „Makel“ Hwa tatsächlich entstellt oder nur auffällt, weil alle anderen ästhetisch optimiert sind.
Innerlich ist die Halb-Koreanerin gebrochen durch den Tod ihres älteren Bruders und einzigen Vertrauten. Ihr „Ethno-Mix“ wird immer wieder bedeutsam erwähnt. Bis zum Schluss erschließt sich nicht aus welchem Grund die Autorin dies hervorhebt. Als Hwas ehemalige weiblichen Schützlinge grausam getötet werden und sie Verdacht schöpft, dass es in der Firma ihres neuen Arbeitgebers nicht mit rechten Dingen zugeht, beginnt sie auf eigene Faust zu recherchieren.
Dem Buch liegt die interessante Überlegung zugrunde, welche „Optimierungen“ von organischem Körper mit technologischem (Smart) Know-how der Mensch perspektivisch – noch – bei sich vornehmen wird. Ebenso beziehen sich Ashbys Überlegungen auf die äußeren, ästhetischen Veränderungen. Darin enthalten ist ihre subtil gestellte Frage, ob diese Art der Veränderungen tatsächlich Optimierungen darstellen und zu welchem Preis sie erfolgen. Auch die Überlegung, dass Unternehmen Städte ganz offiziell kaufen und verkaufen ist keineswegs allzu ferne Zukunftsmusik. Eine schöne wie wünschenswerte Idee ist die der starken Prostituiertengewerkschaft, die den Sexarbeiterinnen tatsächlich Schutz und Unterstützung bietet.
Bei ihrer Erzählung und den spannenden Denkanstößen steht Ashby ihre unsympathische wie unzugängliche Hauptperson Hwa im Wege, deren guter Ruf als Kampfmaschine mit nichts begründbar ist. Der Leser lernt sie kennen in einer Szene, in der sie einen Auftrag verhaut. Alle Folgeaufträge zeigen ähnliche Ergebnisse. Soviel wie sie einsteckt, müsste Hwa am Ende eigentlich längst tot sein. Spröde zeigt sich auch Ashbys Einführung in die von ihr erschaffene Welt. Die Autorin gestaltet den Einstieg sehr umständlich. Ihren grundsätzlich gelungenen Einfällen fehlen Erklärungen. Der Leser ist deshalb zunächst einmal damit beschäftigt, sich die Ideen und Ashbys gemeinten Zukunftsentwurf zusammenzureimen, um sich darin zurechtzufinden. Das geht auf Kosten der Erzählung und der Atmosphäre.
Nach den spannenden philosophischen Fragestellungen in dem Roman und den anregenden Gedankengängen zur Verschmelzung von Körper und Technik, enttäuscht das verquaste Ende schwer. Ashby will hier vielleicht noch einmal zeigen, wie gut sie als Zukunftsforscherin – denn als solche arbeitete sie jenseits ihrer literarischen Ambitionen – ihr Handwerk beherrscht. Anders ist das Raum-Zeit-Mätzchen am Schluss nicht zu erklären. Und bei der Protagonistin ist es ein bisschen wie im Märchen: Der Prinz verliebt sich zwar in Aschenputtel, bekommt dann aber eine Prinzessin. Ob er will oder nicht. Oder anders: Am Ende wird alles gut und die Heldin endlich schön. Was für ein konventionelles, enttäuschendes, kleinmütiges Ende in einer Zeit, in der die Oberfläche immer wichtiger und ästhetischer Individualismus immer unwichtiger wird.
3 von 5 Punkten