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Karen Duve „Grrrimm“

Juli 21st, 2014 ·

„Es war einmal…“ – so fangen Märchen üblicherweise an. Nicht bei Autorin Karen Duve („Regenroman“, „Taxi“). Überhaupt wirken die mit vielen phantastischen Kapriolen angereicherten Hausmärchen wie frisch aus der Waschmaschine geholt. Fünf Märchen der Gebrüder Grimm hat sie sich vorgenommen und kräftig durchgeschüttelt. Darunter „Dornröschen“ und das eher unbekannte Grimmsche Märchen „Bruder Lustig“. Außerdem gibt es nicht für jede Märchenfigur ein gutes Ende … oder zumindest sind auch die Enden der Märchen bei Duve sehr eigen.

Besonders hervor sticht der manchmal recht derbe Humor, wenn sich z. B. der garstige wie hintertriebene Ich-Erzähler, einer der sieben Zwerge in „Zwergenidyll“, in das schöne Schneewittchen verliebt. Die Froschbraut („Der Froschkönig“) erzählt Duve als Ganovenepos a la „Der Pate“. Und im letzten, mit Abstand längsten Märchen „Grrrimm“ wird es richtig wild: Duve mengt dem Original „Rotkäppchen“ die Vorlagen „Von einem der auszog das Fürchten zu lernen“ bzw. „Hänsel und Gretel“ unter. Des Weiteren treten Werwölfe sowie Vampire auf und es sind Anklänge des Massenmörders Ed Gain eingestreut. Der Autorin gelingt es vortrefflich, diese auf dem ersten Blick unverdaulich erscheinende Gemengelage in eine schaurig-witzige Geschichte zu gießen. Was neben dem Humor Duves Märchenversionen so bestechend erscheinen lässt: Sie sind von lästiger Moral mit Zeigefinger befreit.

Duves Buch ist eine gelungene Hommage an die deutschen Begründer märchenhafter Erzählungen. Grimms Märchen erleben seit einigen Jahren, sicherlich befeuert durch das 200-jährige Jubiläum 2012, eine Renaissance in TV-Serien, Kinofilmen und eben in der Literatur. Nicht alle Adaptionen oder Neuinterpretationen gelingen. Karen Duves kleines Meisterwerk dagegen schon. Sie macht alles richtig und bereitet kurzweilige Stunden, vor allem für jene Leser, die sich nach alternativen Enden sehnen. Das Buch ist mit 160 Seiten ziemlich kurz. Was hätte Karen Duve etwa aus „Rumpelstilzchen“, „Der Fischer und seine Frau“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ gemacht? Es bleibt zu hoffen, dass Duve ihre Feder spitzt und ein weiteres Mal in die Welt der Märchen entführt.

5 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Mysterie · Klassiker