Ian McEwan (u. a. „Der Zementgarten“, „Abbitte“) ist ein höchst produktiver und höchst geehrter britischer Autor. Er schrieb Drehbücher und Libretti, viele seiner Romane wurden verfilmt. Nun legt er mit „Honig“ sein aktuelles Buch vor: Die wohlbehütete, gutaussehende, begabte und etwas naive Serena Frome stolpert während ihres nicht besonders erfolgreich verlaufenden Mathematik-Studiums in Cambridge Hals über Kopf in die Liebesaffäre mit einem alternden Professor. Er – langjähriger Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes – verschafft ihr einen Job beim MI5.
Nach einer kurzen Anlaufzeit, in der Serena wie die meisten talentierten Frauen Anfang der 1970er Jahre, als einfache Schreibkraft im Machohaufen des Geheimdienstes zu versauern droht, wird sie dank ihrer Leidenschaft zur Literatur und ihres Aussehens mit einem Spezialauftrag namens „Honig“ betraut. Die Regeln der Operation, die denen des Kalten Krieges folgt, besagen, dass sie den verheißungsvollen Autor Tom Haley infiltriert und ihn im Sinne des Empires fördert. Seine literarischen Werke wiederum sollen die Haltung der Staatsmacht auf belletristischem Wege bis in Intellektuellenkreise hinein verbreiten. Und dann passiert, was ziemlich nahe liegt: Die beiden jungen Menschen verlieben sich ineinander. Das macht den Auftrag für Serena nicht eben leichter.
Die Frage, ob es dem Autor – Jahrgang 1948 – gelingt, in die Rolle einer jungen Frau zu schlüpfen, muss in diesem Fall bedauerlicher Weise mit nein beantwortet werden. Farblosigkeit und Passivität sind die Kennzeichen der Protagonistin. Sie wirkt merkwürdig passiv, obwohl sie es ist, die von den Begebenheiten 40 Jahre später als Ich-Erzählerin berichtet und damals treibende Kraft war. Immer wieder behauptet der Autor die Intelligenz Serenas, bleibt den Beweis allerdings schuldig. Und McEwans Vorstellung, wie sich eine attraktive Frau in einer Männerwelt bewegt: au weia! Denn auch hier behauptet er mehr, als er für seine Figur einzulösen vermag. Es sind die Altherrenphantasien, die die Geschichte schmerzhaft hölzern wirken lassen.
Dagegen liest sich der damalige Zeitgeist mit all seinen politischen Verwicklungen und gesellschaftlichen Konventionen, mit dem Geschlechterdissens mithin der ungleichen Machtverteilung, erfrischend und aufschlussreich. McEwan gelingen sogar einige satirische Bonmots. Am Ende bedient er sich eines wunderbaren Kunstgriffs, der vom Leser hart erlesen ist. Dafür lohnt das Durchhalten. Dazwischen beißt man sich gepflegt gelangweilt durch die seltsamen Geschichten in der Geschichte des beschatteten Schriftstellers, den verschiedenen Liebeleien Serenas und mannigfaltigen Belanglosigkeiten.
3 von 5 Punkten