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André Müller „Sie sind ja wirklich eine verdammte Krähe“

April 24th, 2013 ·

André Müller war Interviewer. Seine Interviews sind echte Meisterstücke. Der Österreicher, der u. a. für ZEIT, SPIEGEL und STERN arbeitete, starb 2011 an Krebs. Mit diesem Buch hinterlässt er eine ganze Reihe dieser meisterlichen Gespräche. Müller interviewte u. a. Dolly Buster, Jonathan Littell, Gerhard Richter und Leni Riefenstahl. Beeindruckend ist Müllers Hintergrundwissen durch gründliche Recherchen. Eine Technik, von der sich heutige Journalisten eine große Scheibe abschneiden können.

Amüsant muten die gegenseitigen Lästereien der Prominenten an. In diese Kategorie fällt das Gespräch mit Karl Lagerfeld, wenn auch weniger für Müller, der sich aufgrund des Gesprächs juristisch mit Lagerfeld auseinandersetzen musste. Müller legt den Humor eines Salman Rushdie offen, kitzelt aus uninteressanten Gesprächspartnern Interessantes heraus und erwischt andere in ihrer unendlichen inneren Ödnis. Spannend sind die Interviews mit seinen Freunden Peter Handke und Elfriede Jelinek. Handke entlarvt sich als ein satter, selbstgerechter Autor, während sich Jelinek prätentiös im eigenen Elend suhl. Die Eindrücke waren von Müller sicher nicht beabsichtig – er selbst spricht sehr liebevoll über die beiden – so aber wächst das Werk über seinen Meister hinaus und bekommt eine eigene Dynamik.

Die Sortierung der Interviews folgt keinem ersichtlichen Konzept, was vor allem beim Gespräch mit seiner Mutter – ja, auch sie interviewte Müller unerbittlich – stört, eingepfercht wie es dort ohne Bezug zu irgendwas zwischen Hanna Schygulla und Julia Fischer steht. Auch das völlig verschwurbelte Vorwort Jelineks wäre wirklich nicht nötig gewesen. André Müllers Leistung steht für sich, denn ihm gelingt, was Benjamin Hinrichs am Ende seiner Laudatio anlässlich einer Preisverleihung knapp und treffend formuliert: „Reden gegen das Gerede“.

Bewertung: 4 von 5 Punkten

Tags: Sachbücher